Freitag, 13. September 2013

Kindesunterhalt und Mehrbedarf

Kindesunterhalt und Mehrbedarf

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 10.7.2013 entschieden, dass Kosten eines Förderunterrichts in einem privaten Lehrinstitut wegen einer Lese- Rechtschreibschwäche des Kindes unterhaltsrechtlich ein sog. Mehrbedarf darstellen können. Voraussetzung sei, dass der Förderunterricht sich über einen längeren Zeitraum erstrecke und sachliche Gründe den Besuch notwendig mache. Dies sei z.B. der Fall, wenn das Kind zuvor erfolgslos an öffentlichen Förderungsmaßnahmen teilgenommen habe.

Weiter hat der BGH entschieden, dass die Kosten des berechtigten Mehrbedarfs eines minderjährigen Kindes grundsätzlich anteilig auf beide Elternteile zu verteilen sind.

Verteilungsmaßstab ist ihr unterhaltsrelevantes Einkommen nach Abzug eines angemessenen Selbstbehalts.

BGH Beschluss vom 10.7.2013
XII ZB 298/12

Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des 2. Familiensenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 25. April 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an einen anderen Senat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen des Kindesunterhalts um Mehrbedarf für eine Therapie einer Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS). Der am 25. Juli 1997 geborene Antragsteller ist der nichtehelich geborene Sohn der Antragsgegnerin, der seit Mai 2010 bei dem Kindesvater lebt. Die Antragsgegnerin arbeitet vollschichtig als Sachbearbeiterin bei einer Versicherung und ist zudem als Rechtsanwältin zugelassen, ohne aus einer solchen Tätigkeit Einkünfte zu erzielen. Der verheiratete Kindesvater ist als Rechtsanwalt in einer größeren Kanzlei tätig. 1 Der Antragsteller absolvierte seit März 2011 eine einjährige LRS-Therapie bei einem privaten Anbieter (L.-Institut), durch die Kosten in einer Gesamthöhe von 2.304 € entstanden sind. Die Antragsgegnerin lehnt die - erstmals im März 2011 geltend gemachte - Beteiligung an den Kosten der LRS-Therapie bei dem L.-Institut ab.
Im vorliegenden Verfahren verlangt der durch den Kindesvater vertretene Antragsteller von der Antragsgegnerin Zahlung von anteiligen Therapiekosten in Höhe von 797,04 €. Die Beteiligten streiten im Wesentlichen darum, ob genügende Gründe für die Durchführung der LRS-Therapie - zudem bei einem privaten Anbieter - vorgelegen haben; ferner ist streitig, in welcher Höhe die Antragsgegnerin und der Kindesvater unterhaltsrelevante Einkünfte erzielen.
Das Amtsgericht hat die Antragsgegnerin antragsgemäß zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin, mit der sie die vollständige Abweisung des Antrags weiterverfolgt.

Gründe:


Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

1. Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend hat das Oberlandesgericht erkannt, dass die während der Dauer des einjährigen Förderunterrichts des Antragstellers anfallenden monatlichen Kosten unterhaltsrechtlichen Mehrbedarf darstellen können. Als Mehrbedarf ist der Teil des Lebensbedarfs (§ 1610 BGB) 3 anzusehen, der regelmäßig während eines längeren Zeitraums anfällt und das Übliche derart übersteigt, dass er beim Kindesunterhalt mit den Tabellensätzen nicht - zumindest nicht vollständig - erfasst werden kann, andererseits aber kalkulierbar ist und deshalb bei der Bemessung des laufenden Unterhalts berücksichtigt werden kann (Senatsurteil vom 5. März 2008 - XII ZR 150/05 - FamRZ 2008, 1152 Rn. 24).

2. Ohne Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde gegen die Erwägungen, die das Beschwerdegericht im Zusammenhang mit der Notwendigkeit und der Angemessenheit des privaten Förderunterrichts angestellt hat.

a) Das Beschwerdegericht hat - dem Amtsgericht folgend - seine Überzeugung, dass der Antragsteller an einer förderungsbedürftigen Rechtschreibschwäche leide, insbesondere aus der Auswertung eines Schreibtests gewonnen, den der Antragsteller auf Anregung seines Deutschlehrers am 24. Februar 2011 bei dem L.-Institut absolviert hat; das dabei angewendete Testverfahren (sog. Hamburger Schreibprobe) kann dieser Auswertung entnommen werden. Diese tatrichterliche Würdigung lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Soweit die Rechtsbeschwerde demgegenüber insbesondere geltend macht, dass es sich bei dem L.-Institut um ein auf Gewinnerzielung gerichtetes Unternehmen handele, dessen Kompetenz ungeklärt sei, will sie damit die eigene Würdigung von der Überzeugungskraft des Beweismittels an die Stelle der Würdigung des Beschwerdegerichts setzen, was ihr im Verfahren der Rechtsbeschwerde verwehrt ist.

b) Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass der Unterhaltsberechtigte den durch den kostenauslösenden Besuch einer privaten Bildungseinrichtung entstandenen Mehrbedarf nicht unbeschränkt, sondern nur beim Vorliegen von sachlichen Gründen geltend machen kann. Darüber hinaus bedarf es einer besonderen Prüfung der konkreten Umstände des Einzelfalls, wenn die 8 Entscheidung für den Besuch einer privaten Bildungseinrichtung einen nicht unerheblichen Mehrbedarf im Vergleich mit anderen denkbaren Lösungen des zugrunde liegenden schulischen Problems verursacht (vgl. Senatsurteil vom 3. November 1982 - IVb ZR 324/81 - FamRZ 1983, 48, 49 zur Privatschule). Im vorliegenden Fall war daher zu prüfen, ob für die kostenauslösende Inanspruchnahme eines privaten Lehrinstituts im Vergleich zu den schulischen Förderangeboten so gewichtige Gründe vorliegen, dass es gerechtfertigt erscheint, die dadurch verursachten Mehrkosten zu Lasten der Antragsgegnerin als angemessene Kosten der Ausbildung im Sinne von § 1610 Abs. 2 BGB anzuerkennen.
Auch diese Beurteilung obliegt im Kern der tatrichterlichen Würdigung (vgl. Senatsurteil vom 3. November 1982 - IVb ZR 324/81 - FamRZ 1983, 48, 49). Das Beschwerdegericht hat - auch insoweit dem Amtsgericht folgend - den Besuch eines privaten Förderunterrichtes insbesondere deshalb als gerechtfertigt angesehen, weil der Antragsteller bereits zwischen der fünften und siebten Klasse öffentliche Förderungsmaßnahmen durch Regionale Beratungs- und Unterstützungsstellen (REBUS) zur Behebung von Lese- und Rechtschreibschwächen ohne besonderen Erfolg durchlaufen habe. Dies hält sich im Rahmen einer zulässigen tatrichterlichen Überzeugungsbildung und ist daher aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

3. Im Ausgangspunkt richtig ist die Annahme des Beschwerdegerichts, dass für berechtigten Mehrbedarf grundsätzlich beide Elternteile anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen (Senatsurteil vom 5. März 2008 - XII ZR 150/05 - FamRZ 2008, 1152 Rn. 28) und nach den Maßstäben des § 1603 Abs. 1 BGB aufzukommen haben, so dass vor der Gegenüberstellung der beiderseitigen unterhaltsrelevanten Einkünfte generell ein Sockelbetrag in 11 Höhe des angemessenen Selbstbehalts abzuziehen ist (Senatsurteil vom 26. November 2008 - XII ZR 65/07 - FamRZ 2009, 962 Rn. 32).

4. Das Beschwerdegericht hat indessen das unterhaltsrechtlich zu berücksichtigende Einkommen des Kindesvaters nicht rechtsfehlerfrei ermittelt.
a) Das Beschwerdegericht legt seinen Berechnungen durchgehend das von dem Kindesvater im Jahre 2011 erzielte monatliche Nettoeinkommen in Höhe von 6.921 € zugrunde. Dieser Ansatz ist jedenfalls für die Verteilung der im Jahre 2012 entstandenen Kosten der LRS-Therapie des Antragstellers nicht mehr zutreffend, weil sich das Einkommen des Kindesvaters nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts im Jahre 2012 wegen der Zahlung einer Bruttotantieme in Höhe von 12.000 € signifikant erhöht hat.

b) Soweit das Beschwerdegericht das Nettoeinkommen des Kindesvaters um den steuerlichen Splittingvorteil (richtig: um etwa die Hälfte des steuerlichen Splittingvorteils) in Höhe von 325 € bereinigt hat, weil dieser Vorteil seiner Ehe vorzubehalten sei, entspricht dies nicht der ständigen Rechtsprechung des Senats. Ein vom Beschwerdegericht angenommenes Verbot der Teilhabe am steuerlichen Splittingvorteil besteht beim Kindesunterhalt - um den es hier geht - nicht. Vielmehr gilt insofern der allgemeine Grundsatz, dass alle Einkommensbestandteile und somit auch der Splittingvorteil für den Kindesunterhalt herangezogen werden können, und zwar sowohl bei der Ermittlung des Bedarfs nach § 1610 BGB als auch bei der Leistungsfähigkeit nach § 1603 BGB (vgl. zuletzt Senatsurteile vom 2. Juni 2010 - XII ZR 160/08 - FamRZ 2010, 1318 Rn. 18 ff. und BGHZ 178, 79 = FamRZ 2008, 2189 Rn. 16 ff.). Der aus der Ehe resultierende Splittingvorteil ist beim Kindesunterhalt immer dann uneingeschränkt einkommenserhöhend zu berücksichtigen, wenn er auf dem alleinigen Einkommen des Unterhaltspflichtigen beruht. Nur dann, wenn der Ehegatte des Unterhaltspflichtigen eigene steuerpflichtige Einkünfte bezieht, ist der Splitting-13 vorteil - insoweit zum Nachteil des Kindes - auf den Unterhaltspflichtigen und seinen Ehegatten zu verteilen (vgl. Senatsurteil BGHZ 178, 79 = FamRZ 2008, 2189 Rn. 31), allerdings nicht nach einem Halbteilungsmaßstab, sondern nach dem Maßstab einer fiktiven Einzelveranlagung beider Ehegatten (vgl. Wendl/Kemper 8. Aufl. § 1 Rn. 977; Graba FamRZ 2008, 2192; Pauling FamFR 2010, 363, 364).

c) Mit Recht rügt die Rechtsbeschwerde ferner die Behandlung der von dem Kindesvater geltend gemachten Verbindlichkeiten für die Finanzierung des in seinem Eigentum stehenden Hauses. Das Beschwerdegericht hat vom Einkommen des Kindesvaters Hausschulden in Gesamthöhe von 2.199 € abgesetzt, ohne dabei zu berücksichtigen, dass den Belastungen ein Gegenwert durch den Vorteil mietfreien Wohnens gegenübersteht. Die Antragsgegnerin hat ausdrücklich bestritten, dass die von dem Kindesvater getragenen Hausverbindlichkeiten die Höhe des durch die Immobilie geschaffenen Wohnwerts übersteigen. Zur Höhe dieses Wohnwertes, der beim Kindesunterhalt grundsätzlich mit der bei einer Fremdvermietung erzielbaren objektiven Marktmiete zu bemessen ist (Senatsurteil vom 17. Mai 2006 - XII ZR 54/04 - FamRZ 2006, 1100, 1104; vgl. allerdings auch Senatsurteil BGHZ 154, 247, 252 ff. = FamRZ 2003, 1179, 1180 f.), hat der für die Einkommensverhältnisse seines Vaters darlegungs- und beweisbelastete Antragsteller bislang keinen Vortrag gehalten.

5. Auch die Berechnung des unterhaltsrelevanten Einkommens aufseiten der Kindesmutter ist nicht frei von Rechtsfehlern. Insoweit sieht der Senat gemäß § 74 Abs. 7 FamFG mit Blick auf den Senatsbeschluss vom heutigen Tage in der Parallelsache XII ZB 297/12 von einer weitergehenden Begründung der Entscheidung ab.
Der Senat macht von der Möglichkeit des § 74 Abs. 6 Satz 3 FamFG Gebrauch. Bei der erneuten Behandlung wird das Beschwerdegericht auch zu 16 beachten haben, dass das Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils bei der Ermittlung der vergleichbaren Einkünfte im Rahmen der Haftungsanteilsberechnung um den geschuldeten Barunterhalt zu bereinigen ist (vgl. Wendl/Klinkhammer 8. Aufl. § 2 Rn. 435).

Dose Weber-Monecke Schilling Günter Botur Vorinstanzen:

AG Hamburg-Wandsbek, Entscheidung vom 23.11.2011 - 733 F 90/11 -


OLG Hamburg, Entscheidung vom 25.04.2012 - 2 UF 3/12 -

Dienstag, 3. September 2013

Der Verfahrensbeistand

Der Verfahrensbeistand

Was ist ein Verfahrensbeistand?
Den Verfahrensbeistand gibt es seit 1998. Bis 2009 hieß er Verfahrenspfleger. Der Verfahrensbeistand vertritt in kindschaftsrechtlichen Verfahren (Sorgerecht, Umgang etc.) die Interessen des minderjährigen Kindes. Deshalb wird er oft auch als „Anwalt des Kindes“ bezeichnet. In der Praxis werden Anwälte aber sehr selten als Verfahrensbeistand eingesetzt. Der Grund dafür ist, dass der Verfahrensbeistand sich nicht um juristische Fragen kümmert. Vielmehr besteht seine Hauptaufgabe darin, die Interessen des Kindes festzustellen. Hierfür braucht er Kenntnisse aus der Kinderpsychologie etc. Als Verfahrensbeistand werden deshalb sehr überwiegend Kindertherapeuten, Sozialpädagogen o.ä. eingesetzt.

Aufgaben
Die Aufgaben eines Verfahrensbeistandes sind im Gesetz (§ 158 Abs. 4 FamFG) genau beschrieben. „Er hat das Interesse des Kindes festzustellen und im Gerichtsverfahren zur Geltung zu bringen“.  Es ist nicht seine Aufgabe, sich über den Gang des Gerichtsverfahren Gedanken zu machen. Er soll sich darauf beschränken, den wirklichen Willen des Kindes zu ermitteln und nicht den artikulierten Willen. Deshalb muss  er überprüfen werden, ob Beeinflussungen durch die Eltern oder andere Personen erfolgt sind. Das Ergebnis teilt er dem Richter in der Gerichtsverhandlung mit.
Außerdem erklärt der Verfahrensbeistand dem Kind entsprechend dessen Alter, worum es im Gerichtsverfahren geht, wie ein Gerichtsverfahren abläuft etc. und nimmt am Gespräch des Kindes mit dem Richter teil. Von diesem Gespräch sind die Eltern und deren Anwälte ausgeschlossen.

Um den Willen des Kindes zu erforschen, führt also der Verfahrensbeistand mit dem Kind ein oder mehrere Gespräche. Das Gericht  kann aber auch anordnen, dass der Verfahrensbeistand zusätzlich noch Gespräche mit den Eltern oder
anderen Bezugspersonen des Kindes führen soll. Ziel ist es, eine  einvernehmliche Regelung zwischen den zerstrittenen Eltern herbeizuführen.

Kosten
Der Verfahrensbeistand erhält pro Kind pauschal 350 € brutto einschließlich seiner Kosten (Fahrkosten, Telefonkosten etc.) unabhängig davon, wie oft und wie lange er mit dem Kind gesprochen hat, wie viele Gerichtstermine stattgefunden oder wie lange diese gedauert haben. Soll er noch mit den Eltern oder anderen Personen Gespräche führen, erhöht sich seine Vergütung pro Kind auf 550 € (§ 158 Abs. 7 FamFG)
Diese erhöhten Gebühren sind selbst dann zu zahlen, wenn der Verfahrensbeistand es z.B. aus zeitlichen Gründen nicht mehr vor dem Gerichtstermin geschafft hat, mit den Eltern etc. zu sprechen. Dies hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich entschieden. Ausschlaggebend für die Vergütung des Verfahrensbeistandes ist allein der Beschluss des Amtsgerichts mit der Anordnung, auch mit dem Eltern etc. zu reden, solange der Verfahrensbeistand nur in irgendeiner Weise im Kindesinteresse tätig geworden ist (BGH FamRZ 2010, 1896; FamRZ 2011, 558; 199).


Im Beschwerdeverfahren vor einem Oberlandesgericht muss der Verfahrensbeistand nicht einmal bestellt werden. Der alte Beschluss des Amtsgerichts wirkt automatisch weiter.

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Ihre Rechtsanwältin
Dagmar Constantas-Saamen

Sonntag, 12. Februar 2012

Wechselmodell


Wechselmodell

Das sogenannte Wechselmodell ist eine Umgangsregelung, die üblicherweise so aussieht, dass das Kind eine Woche beim Vater, dann eine Woche bei der Mutter, usw. lebt. Der wöchentliche Wechsel bedeutet für das Kind, dass es sich jede Woche erneut auf eine andere Hauptbetreuungsperson und deren Erziehungsstil einstellen muss. Die Eltern müssen dem Kind vermitteln, dass sie den Erziehungsstil des anderen akzeptieren. Das Wechselmodell verlangt von den Eltern ein hohes Maß an Gesprächsbereitschaft und darüber hinaus die Fähigkeit, Absprachen zu treffen und Kompromisse einzugehen. Dies hat das OLG Nürnberg (Beschluss vom 22.07.11 7 UF 830 /11) in Übereinstimmung mit anderen Oberlandesgerichten entschieden.

Für die Praxis bedeutet dies, dass das sogenannte Wechselmodell nicht eingeführt werden kann bei Ablehnung dieses Modells durch den anderen Elternteil.

Beschluss  Oberlandesgericht.

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg - Abteilung für Familiensachen - vom 30. März 2011, Az. 105 F 396/11, abgeändert.

Der Antragsteller hat das Recht und die Pflicht mit den Zwillingen E. und F., geb. am 11. August 2005, wie folgt Umgang zu pflegen:

a) Wochenendumgang:
jeweils 14-tägig am Wochenende von Samstag 10:30 Uhr bis Sonntag 19:00 Uhr, erstmals am Wochenende vom 17./18. September 2011,

b) Ferienumgang:
- in den bayerischen Sommerferien 2011 vom 30. Juli 2011 10:30 Uhr bis 19. August, 19:30 Uhr,

- jeweils 2-jährig in den bayerischen Herbstferien von Samstag nach dem letzten Schultag 10:30 Uhr bis Samstag vor dem Schulbeginn 19:30 Uhr, erstmals im Jahr 2011,

- jeweils 2-jährig in den bayerischen Weihnachtsferien am 24. Dezember von 10:30 Uhr bis 21:00 Uhr, erstmals im Jahr 2012,

- jeweils 2-jährig in den bayerischen Weihnachtsferien vom 26. Dezember 10:30 Uhr bis 1.1 des nächsten Jahres 19:30 Uhr, erstmals in den Weihnachtsferien 2011/2012,

- jeweils 2-jährig in den bayerischen Weihnachtsferien vom 2.1. 10:30 bis 6.1. 18:00 Uhr, erstmals in den Weihnachtsferien 2012/2013,

- jeweils 2-jährig in den bayerischen Faschingsferien von Samstag nach dem letzten Schultag 10:30 Uhr bis Samstag vor dem Schulbeginn 19:30 Uhr, erstmals im Jahr 2013,

- jeweils 2-jährig in den bayerischen Osterferien von Ostersamstag 10:30 Uhr bis zum darauf folgenden Samstag 19:30 Uhr, erstmals im Jahr 2012,

- jeweils 2-jährig in den bayerischen Osterferien von Samstag nach dem letzten Schultag 10:30 Uhr bis zum darauffolgenden Samstag 19:30 Uhr, erstmals im Jahr 2013,

- jeweils 2-jährig in den bayerischen Pfingstferien von Pfingstsamstag 10:30 Uhr bis zum darauf folgenden Samstag 19:30 Uhr, erstmals im Jahr 2013,

- jeweils 2-jährig in den bayerischen Pfingstferien vom Samstag nach den Pfingstfeiertagen 10:30 Uhr bis zum darauffolgenden Samstag 19:30 Uhr, erstmals im Jahr 2012,

- jeweils 2-jährig in den bayerischen Sommerferien vom ersten Samstag nach dem letzten Schultag 10:30 Uhr bis zum dritten Freitag nach dem letzten Schultag 19:30 Uhr, erstmals im Jahr 2013,

- jeweils 2-jährig in den bayerischen Sommerferien vom dritten Freitag nach dem letzten Schultag 10:30 Uhr bis zum Samstag vor Schulbeginn 19:30 Uhr, erstmals im Jahr 2012.

c) In den Schulferien findet der unter a) bestimmte Wochenendumgang nicht statt. Wenn die Kinder sich in der zweiten Hälfte der Sommer-, Weihnachts-, Oster- und Pfingstferien bzw. in den Herbst- oder Faschingsferien beim Antragssteller aufgehalten haben, beginnt der Wochenendumgang nach den Ferien jeweils wieder am zweiten Samstag nach Schulbeginn und ansonsten am ersten Samstag nach Schulbeginn.

d) Der Antragsteller ist verpflichtet die Kinder jeweils pünktlich an der Wohnadresse der Antragsgegnerin abzuholen und pünktlich wieder nach dem Umgang dorthin zurückzubringen.

e) Die Antragsgegnerin ist verpflichtet die Kinder jeweils pünktlich an ihrer Wohnadresse zur Abholung bereit zu halten und diese zum jeweils angegebenen Zeitpunkt dort wieder in Empfang zu nehmen.

f) Die Eltern sind verpflichtet, den jeweils anderen Elternteil unverzüglich zu informieren, wenn ein Umgangstermin aus wichtigem Grund nicht eingehalten werden kann. Gleichzeitig ist jeweils ein Ersatztermin zu vereinbaren.

2. Im Übrigen wird der Antrag des Antragstellers zurückgewiesen.

3. Es wird darauf hingewiesen, dass im Falle einer Zuwiderhandlung gegen Nummer 1. gegenüber dem jeweils Verpflichteten ein Ordnungsgeld bis zu 25.000 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monate angeordnet werden kann. Verspricht die Anordnung eines Ordnungsgeldes keinen Erfolg, kann das Gericht Ordnungshaft bis zu 6 Monaten anordnen.

4. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt. Bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung hat es sein Bewenden.

5. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 Euro festgesetzt.
Gründe

I.
Der am 9. Mai 1960 geborene Antragsteller und die am 14. Mai 1976 geborene Antragsgegnerin sind miteinander verheiratet, leben jedoch seit September 2007 getrennt. Aus der Ehe sind die Zwillinge E. und F., geboren am 11. August 2005, hervorgegangen. Die beiden Kinder leben seit der Trennung bei der Mutter. Die Antragsgegnerin hat aus ihrer ersten Ehe zwei weitere Kinder, nämlich die am 18. Januar 1999 geborene A. und den am 28. November 2001 geborenen J. Auch diese beiden Kinder leben bei der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin ist als Studentin für Sozialpädagogik eingeschrieben. Der Antragsteller ist in Vollzeit als Förderlehrer an einer Grundschule tätig. Darüber hinaus unterrichtet er noch am Bildungszentrum in Nürnberg. Er bezahlt derzeit für jedes Kind 199 Euro Kindesunterhalt und für die Antragsgegnerin Trennungsunterhalt in Höhe von 518 Euro. Trotz erheblicher Streitigkeiten zwischen den Eltern ist es ihnen bisher gelungen, den Umgang des Antragstellers mit den Kindern zu regeln. Die Kinder halten sich alle 14 Tage von Samstag 10:30 Uhr bis Sonntag 19:30 Uhr beim Antragsteller auf. Darüber hinaus verbringen sie die Hälfte der Schulferien bei ihm.

Der Antragsteller möchte an der Erziehung der Kinder im gleichen Umfang beteiligt sein wie die Antragsgegnerin und strebt deshalb ein Wechselmodell an. Um dies zu erreichen, leitete er beim Amtsgericht Nürnberg unter dem Aktzeichen 105 F 730/10 ein Sorgerechtsverfahren ein mit dem Ziel, dass ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder alleine übertragen wird. Dieser Antrag, dem sich die Antragsgegnerin widersetzte, wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 25. Juni 2010 zurückgewiesen und auf den Gegenantrag der Antragsgegnerin dieser das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder alleine übertragen. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde des Antragstellers wurde mit Beschluss vom 4. Oktober 2010 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat der Antragsteller Verfassungsbeschwerde eingelegt, über die bisher noch nicht entschieden ist.
Da der Antragsteller im Sorgerechtsverfahren bisher ein Wechselmodell nicht durchsetzen konnte, hat er nunmehr das vorliegende Umgangsverfahren eingeleitet und beantragt, ihm in jeder zweiten Woche von Samstag 18:00 Uhr bis zum darauf folgenden Samstag 18:00 Uhr Umgang mit den beiden Kindern zu gestatten. Diesen Antrag hat das Amtsgericht nach Einholung des Berichts des Jugendamtes der Stadt Nürnberg vom 18. März 2011 und mündlicher Anhörung des Antragstellers sowie der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 30. März 2011 zurückgewiesen. Zur Begründung führt das Amtsgericht aus, dass die Kinder im Hinblick auf ihr Alter einen festen Lebensmittelpunkt benötigen und ein Wechselmodell wegen der konfliktbelasteten Beziehung der Eltern und der fehlenden Kommunikationsebene nicht in Betracht komme.

Gegen diesen Beschluss, der dem Antragstellervertreter am 18. April 2011 zugestellt worden ist, legte dieser für den Antragsteller mit Schriftsatz vom 16. Mai 2011, der am folgenden Tag beim Amtsgericht Nürnberg eingegangen ist, Beschwerde ein. Der Antragsteller verfolgt sein erstinstanzliches Ziel weiter. Zur Begründung lässt er ausführen, das Amtsgericht hätte sich nicht auf die Zurückweisung seines Antrags beschränken dürfen, sondern zumindest den derzeit praktizierten Umgang festschreiben müssen. Außerdem habe es das Amtsgericht versäumt, die Kinder anzuhören. Er strebe das Wechselmodell nicht aus finanziellen Gründen an, vielmehr verweigere die Mutter das Wechselmodell aus unterhaltsrechtlichen Gründen. Er habe kein Vertrauen in die Erziehungsfähigkeit der Antragsgegnerin. Sie lasse die Kinder allein, fördere sie nicht, nehme die Vorsorgeuntersuchungen nicht wahr und diktiere den Umgang. Sie sei für die Kinder ein schlechtes Vorbild. Sie wolle die Kinder am Wochenende, wenn sie sich selbst um die Kinder kümmern müsste, zu ihm abschieben. Das Gericht bestätige die Antragsgegnerin in ihrem ablehnenden Verhalten ihm gegenüber durch seine Entscheidungen. Die Antragsgegnerin stelle ihre Beziehung zu ihm als konfliktbelastet dar, um ihr Ziel zu erreichen. Es sei erforderlich, dass bei Übergabe der Kinder Zeugen dabei seien, da die Antragsgegnerin ihm aggressives Verhalten vorwerfe. Der Bericht des Jugendamtes gebe nur die Ansicht der Antragsgegnerin wieder. Das Jugendamt missachte die Kindeswohlgefährdung durch die Antragsgegnerin seit drei Jahren. Der Bericht des Jugendamtes sei deshalb unbeachtlich. Die Kinder hätten ebenso wie er selbst ein Grundrecht darauf, auch von ihm umsorgt zu werden. Das Alter der Kinder spreche nicht gegen ein Wechselmodell. Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 30.03.2011, Az. 105 F 396/11, aufzuheben und dem Antragsteller den persönlichen Umgang ohne Anwesenheit der Antragsgegnerin mit den Kindern antragsgemäß zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen.
Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und erwidert, die gegen sie erhobenen Vorwürfe seien bereits im Sorgerechtsverfahren erhoben worden und unberechtigt. Der Antragsteller strebe das Wechselmodell aus finanziellen Gründen an, da er dann keinen oder weniger Unterhalt zahlen müsse. Sie habe ihm die Ausweitung des Wochenendumgangs auf Freitag nach dem Kindergarten bis Montag vor dem Kindergarten angeboten. Dies habe er mit dem Argument abgelehnt, dass er sich die zusätzlichen Mahlzeiten der Kinder nicht leisten könne. Ein Wechselmodell komme aufgrund der zwischen ihr und dem Antragsteller bestehenden Streitigkeiten und aufgrund der engen wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in Betracht. Bei einem Wechselmodell müssten zwei Wohnbereiche für die Kinder finanziert werden. Hinzu komme, dass die Kinder einen Lebensmittelpunkt brauchen würden.

Der Senat hat am 13. Juli 2011 die Eltern sowie die Kinder in Abwesenheit der Eltern und der Verfahrensbevollmächtigten mündlich angehört.

II.
Die vom Antragsteller eingelegte Beschwerde ist statthaft und zulässig (§ 58 Abs. 1, § 59 Abs. 1, § 63 Abs. 1, Abs. 3, § 64 Abs. 1, Abs. 2, § 65 Abs. 1 FamFG). In der Sache hat sie nur insoweit Erfolg, als das von den Eltern bisher praktizierte Umgangsrecht im Beschluss festgehalten wird, da dies dem Kindeswohl entspricht. Ein darüber hinausgehender Umgang konnte nicht angeordnet werden, da der Antragsteller eine Ausweitung des Wochenendumgangs von Freitag nach dem Kindergarten bis Montag vor dem Kindergarten aus Kostengründen ablehnt und die Anordnung eines Umgangs alle zwei Wochen von der Dauer einer Woche nicht dem Kindeswohl entspricht (§ 1684 BGB).

1. Rechtsschutzbedürfnis
Fraglich ist, ob das Rechtsschutzbedürfnis für den auf ein Wechselmodell hinauslaufenden Umgangsantrag gegeben ist; denn das Umgangsrecht soll dem Berechtigten lediglich die Möglichkeit geben, sich laufend von der Entwicklung und dem Wohlergehen des Kindes zu überzeugen und die zwischen ihnen bestehenden natürlichen Bande zu pflegen. Dagegen dient das Umgangsrecht nicht dazu, eine gleichberechtigte Teilhabe beider Elternteile am Leben des Kindes etwa in Form eines Wechselmodells sicherzustellen (Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss vom 29. Dezember 2009, Az. 10 UF 159/09, recherchiert bei juris Rn 13, 28 m.w.N.). Der Umgangsantrag des Antragstellers zielt jedoch gerade nicht darauf ab, die Beziehung zu seinen Kinder durch Begegnung und gegenseitiger Aussprache zu pflegen, sondern darauf, dass er gleichwertig neben der Antragsgegnerin in die Erziehung der Kinder eingebunden wird. Letztendlich braucht dies hier jedoch nicht vertieft zu werden, da der Antragsteller nunmehr im Beschwerdeverfahren klargestellt hat, dass er neben diesem Hauptziel auch das Ziel verfolgt, dass zumindest ein Umgang in geringerem Umfang in einer Entscheidung festgehalten wird. Hierfür ist das Rechtsschutzbedürfnis gegeben. Zwar gelingt es den Eltern bisher den Umgang selbst zu regeln. Eine Entscheidung über den Umgang geht aber in ihren Rechtswirkungen über eine Vereinbarung der Eltern insoweit hinaus, als eine gerichtliche Entscheidung die Vollstreckung ermöglicht.

2. Anhörung der Kinder
Es kann offen bleiben, ob die Zwillinge, die fast 6 Jahre alt sind, in der ersten Instanz hätten persönlich angehört werden müssen (§ 159 FamFG); denn die Anhörung wurde im Beschwerdeverfahren nachgeholt, sodass der Anhörungspflicht nunmehr Genüge getan ist.

3. Umgang
Gemäß § 1684 Abs. 1 BGB hat das Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil und jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. Dabei ist Maßstab für die Entscheidung über Umfang und Ausgestaltung des Umgangs ausschließlich das Kindeswohl (§ 1684 Abs. 3, § 1697a BGB).

a. Wechselmodell als Umgangsregelung
Der Antragsteller strebt ein Wechselmodell an, bei dem er die Kinder im gleichen Umfang betreut wie die Antragsgegnerin. Fraglich ist, ob ein solches im Wege einer Umgangsregelung angeordnet werden kann; denn ein solches Wechselmodell führt nicht nur zu einer Umgangsregelung, d.h. dazu, dass sich der Elternteil von der laufenden Entwicklung und dem Wohlergehen der Kinder überzeugen und die Beziehung zum Kind pflegen kann, sondern dazu, dass der Elternteil ebenso wie der andere Elternteil an der Erziehung der Kinder beteiligt wird und damit die zum Aufenthalt der Kinder getroffene Regelung ausgehebelt wird. Dies braucht jedoch nicht entschieden zu werden, da jedenfalls auch das Kindeswohl kein Umgangsrecht im Umfang eines 1:1-Wechselmodells zulässt.

Das vom Antragsteller angestrebte Wechselmodell hat einen wöchentlichen Wechsel der Kinder von einem Elternteil zum jeweils anderen zur Folge. Ein solcher Wechsel mag für die Kinder und die Eltern gewisse Vorteile bringen. So wird zwischen den Kindern und beiden Eltern eine enge Eltern-Kind-Beziehung aufrechterhalten. Beide Eltern bleiben in der Verantwortung für die Kinder und werden in der Betreuung der Kinder entlastet. Der wöchentliche Wechsel führt jedoch auch zu Belastungen. So müssen sich die Kinder jede Woche erneut auf eine andere Hauptbetreuungsperson sowie deren Erziehungsstil einstellen. Von den Eltern erfordert dieses Wechselmodell, dass sie dem anderen Elternteil nicht in den Rücken fallen, sondern dessen Erziehung vor den Kinder als gleichrangig akzeptieren. Darüber hinaus verlangt ein 1:1-Wechselmodell bei den Eltern ein hohes Maß an Kommunikations- und Kompromissbereitschaft. Zum Beispiel müssen die Eltern in der Lage sein, die nötigen Informationen in Bezug auf die Belange der Kinder dem anderen Elternteil mitzuteilen und die erforderlichen Absprachen zu treffen (OLG Nürnberg Beschluss vom 4. Oktober 2010, Az. 7 UF 1033/10; Brandenburgisches Oberlandesgericht aaO; OLG Koblenz Beschluss vom 12. Januar 2010, Az. 11 UF 251/09 jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben, sodass ein 1:1-Wechselmodell dem Kindeswohlinteresse zuwiderläuft.

Das hat der Senat bereits in seiner Entscheidung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht im Vorverfahren, 7 UF 1033/10, dargelegt. An dieser Beurteilung hat sich seitdem nichts geändert. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin können sich nach wie vor nicht über die Belange der Kinder austauschen und diese nicht miteinander diskutieren. Zwischen den Eltern besteht nach wie vor ein tiefes Misstrauen. So hat sich nichts daran geändert, dass Absprachen bezüglich des Umgangsrechts zwecks Beweisbarkeit per E-Mail getroffen werden. Der Antragsteller legt nach wie vor großen Wert darauf, dass bei der Übergabe der Kinder eine Vertrauensperson aus seinem Umfeld mit anwesend ist, da er befürchtet, dass die Antragsgegnerin ihn zu Unrecht eines aggressiven Verhaltens ihr gegenüber bezichtigen könnte. Bei einem 1:1-Wechselmodell ist es jedoch erforderlich, auch spontan und damit unter Verzicht auf eine Beweissicherung Kontakt zum anderen Elternteil aufzunehmen, um Termine und Informationen bezüglich der Kinder an den anderen Elternteil mitzuteilen und Entscheidungen bezüglich der Kindesbelange abzusprechen. Aufgrund des bisherigen Verhaltens der Eltern kann nicht damit gerechnet werden, dass ihnen dies gelingt. Der Antragsteller hat ausdrücklich nochmals in der Beschwerdebegründung darlegen lassen, dass er kein Vertrauen in die Erziehungsfähigkeit der Antragsgegnerin hat und verweist größtenteils auf die bereits im vorausgegangenen Sorgerechtsverfahren gegen die Antragsgegnerin erhobenen Vorwürfe z.B. dass sie die Kinder allein lasse und den Kinder erzähle, dass der Antragsteller keinerlei Unterhalt bezahle. Der Antragsteller verfolgt einen anderen Erziehungsstil als die Antragsgegnerin. Der Antragsteller fordert, dass die Eltern für die Kinder stets da sein müssen, während die Antragsgegnerin dies – wohl auch im Hinblick darauf, dass sie vier Kinder zu versorgen hat – großzügiger handhabt. Der Antragsteller mischt sich bereits jetzt in die der Antragsgegnerin zustehenden Alltagssorge ein. So kam es bei der Anhörung zwischen den Eltern zu einem Wortwechsel wegen der Bekleidung der Kinder. Der Antragsteller hatte konkrete Vorstellungen, welche Jacken die Antragsgegnerin für die Kinder hätte anschaffen sollen und wollte dies durchsetzen. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich solche Konflikte bei einem 1:1-Wechselmodell noch verstärken und sich auf wesentlichere Kindesbelange wie z.B. die Art der Betreuung und Erziehung ausweiten werden. Die Eltern sind nicht der Lage miteinander zu kommunizieren. Dies haben sie bei ihrer Anhörung nicht nur durch den Wortwechsel bezüglich der Jacken für die Kinder gezeigt. Darüber hinaus kam es zwischen ihnen zu einem heftigen Wortgefecht bezüglich der Vorsorgeuntersuchung. Auch dies war bereits Thema im vorausgegangenen Sorgerechtsverfahren. Wie bereits damals erklärte die Antragstellerin, dass die Vorsorgeuntersuchung versäumt worden sei, die Untersuchungen an und für sich aber nachgeholt worden seien. Lediglich die Eintragung im Untersuchungsheft hätten nicht mehr vorgenommen werden können, da der für die Vorsorgeuntersuchung vorgesehene Zeitrahmen bereits abgelaufen gewesen sei. Die Eltern waren nicht in der Lage, dies im Vorfeld klarzustellen. Der Antragsteller sah sich vielmehr veranlasst, sich - zu Beweiszwecken - vom Kinderarzt bestätigen zu lassen, dass die Vorsorgeuntersuchung nicht durchgeführt worden ist, was die Antragsgegnerin jedoch überhaupt nicht in Abrede stellte. Dies zeigt, dass die im Rahmen eines 1:1-Wechselmodells erforderliche vertrauensvolle Zusammenarbeit der Eltern nach wie vor nicht möglich ist. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass sich die Streitigkeiten der Eltern bei einem solchen Betreuungsmodell ausweiten werden und die Kinder noch mehr als bisher in diese Streitigkeiten einbezogen und von den Eltern instrumentalisiert werden. Dies ist nicht im Kindeswohlinteresse. Die Anordnung eines Umgangs von einer Woche innerhalb von 14 Tagen kommt daher nicht in Betracht.
Bei dem zwischen den Eltern bestehenden ausgeprägten Streit- und Konfliktpotenzial spielt der Kindeswille nur eine untergeordnete Rolle. Aber auch dieser steht der Ablehnung des vom Antragsteller begehrten Umgangumfangs nicht entgegen. Weder E. noch F. haben bei ihrer Anhörung vor dem Senat erklärt, dass sie im gleichen Umfang bei Papa und Mama wohnen wollen. F. hat sogar geäußert, dass er lieber bei der Mama wohnen wolle. E. hat es vorgezogen sich neutral zu verhalten und keine Präferenz anzugeben.

b. Umgangsregelung wie im Tenor des Beschlusses ausgesprochen
Der Umgang wie er im Tenor des Beschlusses festgehalten ist, entspricht dem Kindeswohl. Der Wochenendumgang wurde im Wesentlichen wie bisher von den Eltern gehandhabt angeordnet. Den Endzeitpunkt hat das Beschwerdegericht von 19:30 Uhr auf 19:00 vorverlegt, da die Kinder im September 2011 eingeschult werden und sie am Sonntagabend noch Zeit benötigen, um ihre Schulsachen zu richten. Außerdem muss es ihnen ermöglicht werden, rechtzeitig zu Bett zu gehen, um ausgeschlafen in der Schule zu erscheinen.

Von einer Ausweitung des Wochenendumgangs hat der Senat abgesehen. Zwar haben beide Kinder erklärt, dass sie nicht nur einmal beim Papa übernachten möchten. Auch hat die Mutter sich damit einverstanden erklärt, dass die Kinder 14-tägig von Freitag bis Montagmorgen beim Antragsteller sind. Eine Ausweitung scheitert jedoch an dem Veto des Antragstellers. Dieser hat erklärt, dass ihm eine Ausweitung des Umgangs aufgrund seiner engen finanziellen Verhältnisse nicht möglich sei. Am Freitag müsse er seine Nebentätigkeit beim Bildungszentrum ausüben und eine Erstreckung des Umgangs bis Montagmorgen komme nicht in Betracht, da er dann die Kinder in die Schule bringen müsse und deshalb erhöhte Kosten für öffentliche Verkehrsmittel anfallen würden.
Bezüglich der bevorstehenden Sommerferien hat der Senat die bereits von den Eltern abgesprochene Regelung übernommen. Den weiteren Ferienumgang hat der Senat entsprechend der bisherigen Praxis der Eltern dahingehend geregelt, dass die Kinder jeweils die Ferien hälftig bzw. im Wechsel ganz bei den Eltern verbringen. Da die Kinder bisher jeweils die Hälfte der Ferien beim Antragsteller verbracht haben und der Antragsteller als Lehrer in den Ferien grundsätzlich keinen Unterricht halten muss, geht der Senat davon aus, dass es dem Kindeswohl entspricht, wenn dies auch weiterhin so gehandhabt wird. Auch die beiden Kinder haben keine Einwendungen dagegen erhoben, längere Zeit beim Papa zu sein.

Soweit der Antragsteller aufgrund seiner Nebentätigkeit den einen oder anderen Ferienumgang nicht wahrnehmen können sollte oder Umgangstermine aus sonstigen wichtigen Gründen nicht stattfinden können, haben die Eltern den jeweils anderen Elternteil unverzüglich zu informieren und Ersatztermine zu vereinbaren. Darüber hinaus bleibt es den Eltern unbenommen, sich einvernehmlich auf andere Regelungen zu verständigen.

III.
Beide Eltern sind auf die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen den ihnen aufgrund des Beschlusses obliegenden Verpflichtungen hinzuweisen (§ 89 Abs. 2 FamFG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG und die über die Festsetzung des Verfahrenswertes auf § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (§ 70 FamFG). Gegen diesen Beschluss ist infolgedessen kein Rechtsmittel statthaft.

Donnerstag, 10. November 2011

Kuckuckskinder


Kuckuckskinder

Am 9 November 2011 hat der Bundesgerichtshof (XII ZR 136/ 09) entschieden, dass eine  Mutter dem Scheinvater den Namen des Mannes nennen muss, mit dem sie in der Empfängniszeit verkehrt hat. In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hatte der Scheinvater seine Vaterschaft erfolgreich angefochten und wollte den biologischen Vater auf Erstattung des von ihm gezahlten Unterhalts verklagen.

Ihre Rechtsanwältin
Dagmar Constantas-Saamen

Pressemitteilung des BGH

Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegen die Mutter zur Vorbereitung eines Unterhaltsregresses

Der u.a. für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass dem Scheinvater nach erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung und zur Vorbereitung eines Unterhaltsregresses ein Anspruch gegen die Mutter auf Auskunft über die Person zusteht, die ihr in der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt hat.
Die Parteien hatten bis zum Frühjahr 2006 für etwa zwei Jahre in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammengelebt. Im Frühsommer 2006 trennten sie sich endgültig. Am 18. Januar 2007 gebar die Beklagte einen Sohn. Nachdem sie den Kläger zuvor aufgefordert hatte, die Vaterschaft für "ihr gemeinsames Kind" anzuerkennen, erkannte dieser bereits vor der Geburt mit Zustimmung der Beklagten die Vaterschaft an. Er zahlte an die Beklagte insgesamt 4.575 € Kindes- und Betreuungsunterhalt.
In der Folgezeit kam es zwischen den Parteien zu verschiedenen Rechtsstreitigkeiten. In einem Verfahren zur Regelung des Umgangsrechts wurde ein psychologisches Gutachten eingeholt, dessen Kosten der Kläger jedenfalls teilweise zahlen musste. In einem Rechtsstreit über Betreuungs- und Kindesunterhalt verständigten sich die Parteien auf Einholung eines Vaterschaftsgutachtens. Auf der Grundlage dieses Gutachtens stellte das Familiengericht im Anfechtungsverfahren fest, dass der Kläger nicht der Vater des 2007 geborenen Sohnes der Beklagten ist. Dementsprechend sind die Unterhaltsansprüche gegen den leiblichen Vater nach § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB in Höhe des geleisteten Unterhalts auf den Kläger übergegangen. Inzwischen erhält die Beklagte von dem mutmaßlichen leiblichen Vater des Kindes monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 202 €.
Dem Kläger ist der leibliche Vater des Kindes nicht bekannt. Er möchte in Höhe der geleisteten Zahlungen Regress bei diesem nehmen. Zu diesem Zweck hat er von der Beklagten Auskunft zur Person des leiblichen Vaters verlangt. Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Auskunft verurteilt, wer ihr in der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt habe. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Der Bundesgerichtshof hat auch die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Die Beklagte schuldet dem Kläger nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) Auskunft über die Person, die ihr während der Empfängniszeit beigewohnt hat. Ein solcher Anspruch setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass auf der Grundlage einer besonderen Rechtsbeziehung zwischen den Parteien der eine Teil in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, während der andere Teil unschwer in der Lage ist, die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Diese Voraussetzungen hat der Bundesgerichtshof als erfüllt angesehen. Dem Kläger ist nicht bekannt, gegen wen er seinen Anspruch auf Unterhaltsregress richten kann; die Beklagte kann ihm unschwer die Person benennen, die ihr während der Empfängniszeit beigewohnt hat und gegenwärtig sogar Kindesunterhalt leistet. Die erforderliche besondere Rechtsbeziehung zwischen den Auskunftsparteien ergibt sich aus dem auf Aufforderung und mit Zustimmung der Mutter abgegebenen Vaterschaftsanerkenntnis.
Zwar berührt die Verpflichtung zur Auskunft über die Person des Vaters ihres Kindes das Persönlichkeitsrecht der Mutter nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 1 Abs. 1 GG, das auch das Recht auf Achtung der Privat- und Intimsphäre umfasst und zu dem die persönlichen, auch geschlechtlichen Beziehungen zu einem Partner gehören. Dieser Schutz ist nach Art. 2 Abs. 1 GG aber seinerseits beschränkt durch die Rechte anderer. Ein unzulässiger Eingriff in den unantastbaren Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegt nicht vor, weil die Auskunftspflichtige bereits durch ihr früheres Verhalten Tatsachen ihres geschlechtlichen Verkehrs während der Empfängniszeit offenbart hatte, die sich als falsch herausgestellt haben. Damit hatte sie zugleich erklärt, dass nur der Kläger als Vater ihres Kindes in Betracht kam und diesen somit zum Vaterschaftsanerkenntnis veranlasst. In einem solchen Fall wiegt ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht regelmäßig nicht stärker als der ebenfalls geschützte Anspruch des Mannes auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG zur Durchsetzung seines Unterhaltsregresses nach erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung.

Urteil vom 9. November 2011 - XII ZR 136/09
AG Rendsburg – 23 F 235/08 – Urteil vom 10. Dezember 2008
OLG Schleswig – 8 UF 16/09 – Urteil vom 23. Juni 2009 – FamRZ 2009, 1924
Karlsruhe, den 9. November 2011
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe

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Sonntag, 23. Oktober 2011

Wiederaufleben des Ehegattenunterhalts


Wiederaufleben des Ehegattenunterhalts

BGH Urteil vom 13.07.2011 XII ZR 84/09

In dem vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fall ging es die Frage, ob eine Frau, die in einer neuen Beziehung lebte und deshalb keinen Ehegattenunterhalt bekam, nach Beendigung der Beziehung zu ihrem Freund, wieder Unterhaltsansprüche gegen den Exmann haben kann.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Ehegattenunterhalt bei Scheitern der neuen Beziehung grundsätzlich wieder aufleben kann.

Das Ende der neuen Beziehung bedeutet weder, dass der Ehegattenunterhaltsanspruch automatisch wieder auflebt noch dass er völlig ausgeschlossen ist.  Erforderlich ist vielmehr nach dem Bundesgerichtshof eine neue umfassende  Prüfung, „ob die aus einer wiederauflebenden Unterhaltspflicht erwachsenen Belastungen für den Unterhaltspflichtigen weiterhin die Unzumutsbarkeitsgrenze überschreiten“.

In diese Billigkeits-Prüfung sind alle Umstände einzubeziehen, die nacheheliche Solidarität ist von besonderer Bedeutung. In den  Fällen, in denen der unterhaltsberechtigte Ehegatte während der Ehe seine Arbeit aufgegeben hat, um den Haushalt und die Kinder zu betreuen, gewinnt auch die Ehedauer an Bedeutung. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, wie lange die Beziehung zum Lebensgefährten gedauert hat. Denn durch die Aufnahme der eheähnlichen Beziehung löst man sich aus der ehelichen Solidarität und gibt zu erkennen,  dass man sie nicht benötigt. Deshalb lebt ein versagter Unterhalt regelmäßig nur im Interesse gemeinsamer Kinder als Betreuungsunterhalt auf. Sind keine betreuungsbedürftigen Kinder da, ist zu prüfen, ob die nacheheliche Solidarität es ausnahmsweise rechtfertigen kann, den Ehegattenunterhalt wieder aufleben zu lassen.

Vorwort von RA'in Dagmar Constantas-Saamen

Das Urteil des BGH.
 BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL XII ZR 84/09
Verkündet am: 13. Juli 2011

Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin  der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Zweck der gesetzlichen Neuregelung in § 1579 Nr. 2 BGB ist es, rein objektive Gegebenheiten bzw. Veränderungen in den Lebensverhältnissen des bedürftigen Ehegatten zu erfassen, die eine dauerhafte Unterhaltsleistung unzumutbar erscheinen lassen. Entscheidend ist deswegen darauf abzustellen, dass der unterhaltsberechtigte frühere Ehegatte eine verfestigte neue Lebensgemeinschaft eingegangen ist, sich damit endgültig aus der ehelichen Solidarität herauslöst und zu erkennen gibt, dass er diese nicht mehr benötigt. Kriterien wie die Leistungsfähigkeit des neuen Partners spielen hingegen keine Rolle.

b) Ein nach § 1579 Nr. 2 BGB beschränkter oder versagter nachehelicher Unterhaltsanspruch kann grundsätzlich wiederaufleben, wobei es einer umfassenden  Zumutbarkeitsprüfung unter Berücksichtigung aller Umstände bedarf. Bei Beendigung der verfestigten Lebensgemeinschaft lebt ein versagter Unterhaltsanspruch regelmäßig im Interesse gemeinsamer Kinder als Betreuungsunterhalt wieder auf.  Für andere Unterhaltstatbestände gilt dies nur dann, wenn trotz der für eine gewisse Zeit verfestigten neuen Lebensgemeinschaft noch ein Maß an nachehelicher Solidarität geschuldet ist, das im Ausnahmefall eine weitergehende nacheheliche Unterhaltspflicht rechtfertigen kann.

BGH, Urteil vom 13. Juli 2011 - XII ZR 84/09 - OLG Stuttgart AG Ludwigsburg- 2 -
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Juli 2011 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Dose, Dr. Klinkhammer,Dr. Günter und Dr. Nedden-Boeger für Recht erkannt:

Auf die  Revision des Klägers wird das Urteil des 11. Familiensenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 16. April 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen
Tatbestand:

Die Parteien streiten um Abänderung eines gerichtlichen Vergleichs zum nachehelichen Unterhalt. Sie hatten im Oktober 1997 die Ehe geschlossen. Im Mai 1999 wurde der gemeinsame Sohn geboren. Nach der Trennung der Parteien im Februar 2004 wurde die Ehe im September 2005 rechtskräftig geschieden. Im Juni 2006 schlossen die Parteien einen gerichtlichen Vergleich, worin sich der Kläger u.a. verpflichtete, an die Beklagte einen monatlichen nachehelichen Unterhalt in Höhe von 700 € zu zahlen.  Der Kläger, der den Wegfall seiner Unterhaltspflicht begehrt, bezieht inzwischen höhere Einkünfte, weil er zum Leiter des Qualitätsmanagements aufgestiegen ist und seine Erwerbstätigkeit vorübergehend von wöchentlich 35 Stunden auf 40 Stunden aufgestockt hatte. Er ist neben der Beklagten und dem gemeinsamen Sohn zwei weiteren im März 1993 und November 1997 geborenen Kindern unterhaltspflichtig. Die Beklagte ist ausgebildete Bauzeichnerin. Sie war seit der Geburt des gemeinsamen Sohnes nur in geringfügigem Umfang erwerbstätig und widmete sich der Betreuung des Sohnes und ihrer Tochter aus einer früheren Beziehung. Nach der Trennung gab sie ihren Beruf auf. Von August 2006 bis August 2007 ließ sie sich zur Feng-Shui-Beraterin ausbilden. Als solche ist sie seit Januar 2008 selbständig. Jedenfalls seit dem Frühjahr 2004 bis November 2008 unterhielt sie eine auf Dauer angelegte Partnerschaft mit dem Zeugen K.

Das Amtsgericht hat der Abänderungsklage stattgegeben und der Beklagten für die Zeit ab Januar 2008  wegen ihrer verfestigten Lebensgemeinschaft weiteren Unterhalt  versagt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Entscheidung abgeändert und den Wegfall des Unterhaltsanspruches auf die Zeit von April bis November 2008 begrenzt. Für die Zeit ab Dezember 2008 hat es den Unterhalt herabgesetzt und zwar auf 359 € für Dezember 2008 und auf monatlich 484 € für die Zeit ab Januar 2009. Zur Frage des "Wiederauflebens des Unterhaltsanspruches nach Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft" hat das Oberlandesgericht die Revision zugelassen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers, mit der er einen Wegfall seiner Unterhaltspflicht  auch  für die Zeit ab Dezember 2008 begehrt.

Entscheidungsgründe:
Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 179/10 - FamRZ 2011, 100).  Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
Das Oberlandesgericht hat für die hier noch relevante Zeit ab Dezember 2008 einen Wegfall des Anspruchs der Beklagten auf nachehelichen Unterhalt abgelehnt und ihren Unterhaltsanspruch lediglich zur Höhe reduziert. Dem Unterhaltsvergleich liege ein Nettoeinkommen des Klägers in Höhe von 2.359,34 € zugrunde, während sich für 2007 ein durchschnittliches Nettoeinkommen des Klägers in Höhe von 3.320,08 € errechne, von dem auszugehen sei. Zwar wolle das Unterhaltsrecht den geschiedenen Ehegatten nicht besser stellen, als er während der Ehe gestanden habe. Die Umstände, aus denen sich eine unerwartete berufliche Entwicklung nach der Trennung, zum Beispiel ein Karrieresprung, ergebe, seien aber von demjenigen darzulegen und zu beweisen, der sich darauf berufe. Weil der Kläger dazu nichts vorgetragen habe, könne nicht festgestellt werden, ob die nacheheliche Beförderung einen Karrieresprung darstelle oder ob und in welchem Umfang diese Entwicklung bereits während der Ehe angelegt gewesen sei. Die Ausweitung der Erwerbstätigkeit von monatlich 35 auf 40 Stunden, also um knapp 15 %, liege noch innerhalb des zu erwartenden Bereichs für eine verantwortliche Position. Auch wenn der Kläger die Mehrarbeit jederzeit einstellen dürfe, sei sein tatsächlich erzieltes Einkommen in voller Höhe als unterhaltsrelevant anzusehen. Der Vortrag des Klägers in der Berufungsverhandlung, wonach der Arbeitgeber die Mehrarbeitsvereinbarung inzwischen gekündigt habe, sei streitig. Mangels vorliegender Einkommensabrechnungen könne noch nicht festgestellt werden, inwieweit sich das Durchschnittseinkommen dadurch vermindere. 

Der Kläger sei insoweit auf ein Abänderungsverfahren verwiesen. Neben dem Einkommen  könne der Kläger  eine Steuerrückerstattung in Höhe von monatlich 300 € erwarten und müsse sich, wie bei Vergleichsschluss, einen Vorteil mietfreien Wohnens in Höhe von 200 € anrechnen lassen. Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung seien weiterhin abzuziehen.  Zusätzliche Beiträge für eine Direktversicherung und einen Rentenfonds seien hingegen nicht absetzbar, weil sie bereits bei Vergleichsschluss gezahlt, seinerzeit aber nicht berücksichtigt worden seien. Im Übrigen sei die vom Bundesgerichtshof für eine zusätzliche Altersvorsorge festgelegte Höchstgrenze von 4 % durch die Tilgung der Wohnhausfinanzierung aufgebraucht. Auch weitere Kreditkosten seien nicht absetzbar, weil sie nicht bei Abschluss des Unterhaltsvergleichs berücksichtigt worden seien bzw. einen Kredit beträfen, der eine finanzielle Erstattung an die Beklagte im Gegenzug gegen die Rückübertragung von Wohneigentum betreffe. 

Als Kindesunterhalt sei vom Einkommen des Klägers neben dem Zahlbetrag auch das hälftige Kindergeld abzusetzen.  Der Beklagten sei für die Zeit ab April 2008 ein Einkommen aus vollschichtiger Tätigkeit als Bauzeichnerin zuzurechnen. Im Hinblick auf die Neuregelung des Betreuungsunterhalts und die Möglichkeit einer Ganztagsbetreuung  des gemeinsamen Sohnes in einer Kindertagesstätte sei der Beklagten nach einer dreimonatigen Übergangsfrist  eine vollschichtige Erwerbstätigkeit zumutbar. Auf der Grundlage ihrer Berufsausbildung und der Berufspraxis als Bauzeichnerin sei eine Bewerbung in diesem Beruf nicht von vornherein aussichtslos. Weil sie sich nicht ausreichend um eine solche Stelle bemüht habe, sei ihr ein entsprechendes Einkommen fiktiv zuzurechnen. Zinseinkünfte aus der Zuwendung ihrer Mutter in Höhe von 120.000 € seien der Beklagten nicht zuzurechnen, weil diese auch im Rahmen des abzuändernden Vergleichs keine Berücksichtigung gefunden hätten. Abzusetzen seien allerdings Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung, die Berufshaftpflichtversicherung und  - für die Zeit ab 2008 - fiktive Kosten für eine Ganztagsbetreuung des gemeinsamen Kindes. Daraus ergebe sich nach Abzug des jeweiligen Erwerbstätigenbonus für Dezember 2008 ein unterhaltsrelevantes Einkommen des Klägers in Höhe von  1.832,76 €, ein unterhaltsrelevantes Einkommen der Beklagten in Höhe von 1.115,01 € und somit ein rechnerischer Unterhaltsanspruch der Beklagten in Höhe von rund 359 €. Ab Januar 2009 ergebe sich ein monatliches unterhaltsrelevantes Einkommen des Klägers in Höhe von 2.080,26 €, ein solches der Beklagten in Höhe von 1.113,27 € und ein rechnerischer Unterhaltsanspruch in Höhe von rund 484 € monatlich. Der Unterhaltsanspruch der Beklagten sei für die Zeit von Januar bis November 2008 zum überwiegenden Teil verwirkt. Die Beklagte habe im Frühjahr 2004 eine auf Dauer angelegte Partnerschaft mit dem Zeugen K. aufgenommen. Unter Berücksichtigung einer Ehedauer von unter acht Jahren und der wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien erscheine eine weitere Belastung des Klägers mit nachehelichem Unterhalt ab dem Jahre 2008 im Rahmen einer Gesamtschau unzumutbar. Bei der vorzunehmenden Billigkeitsprüfung seien jedoch vorrangig die Belange des gemeinsamen Kindes zu berücksichtigen, das davor bewahrt werden solle, infolge der Verwirkung von Unterhaltsansprüchen des betreuenden Elternteils in eine soziale Notlage zu geraten. Für die Zeit von Januar bis März 2008 sei die Beklagte nicht in der Lage, aus ihrer Tätigkeit als Feng-Shui-Beraterin ihren notwendigen Bedarf zu decken, so dass der Kläger trotz der Verwirkung zur Deckung des Fehlbedarfs in Höhe von rund 278 € verpflichtet sei. Die Beziehung der Beklagten zum Zeugen K. sei allerdings seit November 2008 endgültig beendet. Ende  eine verfestigte Lebensgemeinschaft, sei in einer weiteren umfassenden Abwägung aller Umstände zu überprüfen, inwieweit für den Unterhaltsschuldner durch ein Wiederaufleben der Unterhaltspflicht die Grenze des Zumutbaren überschritten werde. Dabei komme es neben den wirtschaftlichen Verhältnissen auf die Dauer der Ehe und die Dauer der objektiven Unzumutbarkeit an.

Vorliegend sei von einer Ehedauer von unter acht Jahren auszugehen. Dem stehe eine objektive Unzumutbarkeit ab Anfang des Jahres 2008 bis zur Beendigung der Beziehung im November 2008 entgegen. Auf einen endgültigen Wegfall seiner Unterhaltspflicht habe der Kläger nicht vertrauen dürfen und er habe auch nicht dargetan, im Vertrauen darauf wirtschaftliche Dispositionen getroffen zu haben. Die Neufassung des § 1586 a Abs. 1 BGB, nach der ein geschiedener Ehegatte, der eine weitere Ehe eingegangen sei, nach Auflösung dieser Ehe von seinem früheren Ehegatten nur Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB, nicht jedoch Anschlussunterhalt nach anderen Unterhaltstatbeständen verlangen könne, führe zu keiner anderen Beurteilung. Denn die Wertung dieser Vorschrift könne auf den Fall einer beendeten nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht übertragen werden. Mit der Aufnahme und Fortführung einer Partnerschaft, die sich im Laufe der Zeit zu einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft verdichte, sei  keine vergleichbare Aufgabe der nachehelichen Solidarität verbunden. Der Schutz des Unterhaltspflichtigen sei hier durch die Befristungsmöglichkeit nach § 1578 b Abs. 2 BGB gewährleistet.

Eine zeitliche  Begrenzung des  Unterhaltsanspruchs nach § 1578 b  Abs. 2 BGB sei nicht ausdrücklich geltend gemacht, jedoch anhand des Vortrags der Parteien von Amts wegen zu prüfen. Konkrete Umstände, die für eine Befristung des Unterhaltsanspruchs sprächen, habe der Kläger jedoch nicht angeführt. Aus dem allgemeinen Vortrag der Parteien ergebe sich, dass die Ehe weniger als acht Jahre gedauert habe, während der die Beklagte ihren Beruf als Bauzeichnerin überwiegend in einer Teilzeittätigkeit ausgeübt, im Übrigen den Haushalt geführt und die Tochter sowie den gemeinsamen Sohn betreut habe. Eine vollzeitige Erwerbspflicht sei der Beklagten erst mit der Neufassung des Unterhaltsrechts zum Januar 2008 erwachsen. Es sei davon auszugehen, dass die Beklagte als Bauzeichnerin ein  Nettoeinkommen von rund 1.380 € erzielen könne, während der Kläger über ein Nettoeinkommen in Höhe von rund 3.320 € verfüge. Allerdings habe der Kläger erhebliche Zahlungsverpflichtungen und schulde insgesamt drei Kindern Unterhalt. Nach dem allgemeinen Vortrag der Parteien  könne noch nicht davon ausgegangen werden, dass eine zeitlich unbegrenzte Belastung des Klägers mit einer Unterhaltsverpflichtung unbillig sei.

Entscheidend sei vielmehr, inwieweit die Beklagte durch die Ehe berufliche Nachteile erlitten habe. Das Vorliegen solcher Nachteile sei naheliegend, nachdem die Beklagte während der Ehe auf eine Vollzeitstelle verzichtet habe, um den Haushalt zu versorgen und sich neben der Betreuung ihrer Tochter um die Betreuung des gemeinsamen Sohnes zu kümmern. Nach der Trennung habe sie die Ausübung ihres Berufes zugunsten der Kinderbetreuung ganz aufgegeben. Berufliche Nachteile seien auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Beklagte eine Ausbildung zur Feng-Shui-Beraterin durchgeführt habe. Nachdem der darlegungs- und beweispflichtige Kläger zum Fehlen oder zur Begrenzung berufsbedingter Nachteile der Klägerin nichts vorgetragen habe, könne in der notwendigen Gesamtschau keine Unbilligkeit einer zeitlich unbefristeten Unterhaltsverpflichtung festgestellt werden.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision nicht in allen Punkten stand.

1. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung der Revisionserwiderung  ist die Zulassung der Revision nicht auf die Problematik des § 1579 Nr. 2 BGB beschränkt, sondern umfasst auch die Frage der Befristung nach § 1578 b BGB. Zwar kann das Berufungsgericht die Zulassung der Revision wirksam auf Teile des Rechtsstreits begrenzen. Das setzt allerdings voraus, dass es sich um einen hinreichend klar umrissenen abgrenzbaren Teil der Entscheidung handelt (Senatsurteile vom 4. Mai 2011 - XII ZR 70/09 - FamRZ 2011, 1041 Rn. 10 und vom 12. Juli 2000 - XII ZR 159/98 - NJW-RR 2001, 485, 486). Eine solche  wirksame Begrenzung liegt hier in der Zulassung der Revision auf Unterhaltsansprüche ab dem 1. Dezember 2008. Eine Beschränkung auf einzelne Rechtsfragen innerhalb dieses Streitgegenstandes, etwa die Anwendbarkeit des
§ 1579 Nr. 2 BGB, ist hingegen nicht zulässig (BGH Beschluss vom 10. Februar 2011 - VII ZR 71/10 - NJW 2011, 1228 Rn. 11 mwN).

2.  Zu Recht hat das Berufungsgericht die Klage allerdings als Abänderungsklage behandelt, obwohl das Amtsgericht entsprechend dem Antrag des Klägers  lediglich  festgestellt hat, dass er in Abänderung des gemeinsamen Vergleichs ab Januar 2008 keinen nachehelichen Unterhalt an die Beklagte mehr schuldet. Eine bloße Feststellung des Wegfalls der Unterhaltspflicht wäre wegen des vorliegenden  gerichtlichen Vergleichs schon deswegen unzulässig, weil dann der abweichende vollstreckbare Titel fortbestehen würde. Das Begehren des Klägers richtet sich vielmehr darauf, den gerichtlichen Vergleich als Vollstreckungstitel aufzuheben.  Weil der Titel nur im Rahmen einer Abänderungsklage geändert werden kann, hat das Oberlandesgericht  den Antrag des Klägers zutreffend als Abänderungsantrag im Sinne des § 323 ZPO aF gewertet.

3. Im Ergebnis zutreffend hat das Oberlandesgericht  die Änderung der Einkommensverhältnisse der Parteien  seit Abschluss des Vergleichs bei der Abänderung des Unterhaltsvergleichs berücksichtigt.

a) Der gerichtliche Unterhaltsvergleich entfaltet als Vollstreckungstitel im Sinne des § 323 Abs. 4 ZPO aF (vgl. jetzt § 323 a ZPO und § 239 FamFG) keine materielle Rechtskraft. Er unterliegt deswegen auch nicht den Beschränkungen des § 323 Abs. 2 und 3 ZPO (vgl. jetzt § 238 Abs. 2 und 3 FamFG), die auf der Rechtskraft eines abzuändernden Unterhaltstitels beruhen. Der Umfang der Abänderung einer Vereinbarung oder einer Urkunde im Sinne des § 323 Abs. 4 ZPO aF richtet sich vielmehr allein nach materiellem Recht (vgl. jetzt § 323 a Abs. 2 ZPO und § 239 Abs. 2 FamFG). Auch danach sind Unterhaltsvereinbarungen allerdings nicht frei abänderbar; im Rahmen der Abänderung ist vielmehr stets der Inhalt der Vereinbarung der Parteien zu wahren. Eine Abänderung kommt nur dann nach § 313 BGB in Betracht, wenn sie wegen nachträglicher Veränderungen  der tatsächlichen Verhältnisse, des anwendbaren Rechts oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung  nach den Grundsätzen über den Wegfall oder die Änderung der Geschäftsgrundlage geboten ist (Senatsurteil vom 4. Mai 2011 - XII ZR 70/09 - FamRZ 2011, 1041 Rn. 23 mwN).

b) Zutreffend hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass das Einkommen des Klägers seit Abschluss des gerichtlichen Vergleichs jedenfalls nicht gesunken ist. Der Kläger erzielt  seit seiner Beförderung zum Leiter des Qualitätsmanagements sogar höhere Einkünfte als im Zeitpunkt des Vertragsschlusses.  Für die Zulässigkeit seiner Abänderungsklage kommt es deswegen nicht darauf an, ob die Beförderung auf eine außerordentliche nacheheliche Entwicklung zurückzuführen  ist  und deswegen  bei der Bedarfsbemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht zu berücksichtigen wäre. Im Rahmen der aus anderen Gründen zulässigen Abänderungsklage hat das Oberlandesgericht auf der Grundlage des Vortrags der Parteien  einen Karrieresprung nicht feststellen können. Dagegen  ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Auch die Revision greift dies nicht an. Der Umfang der Erwerbstätigkeit des Klägers übersteigt  auch bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden nicht das im Berufsleben übliche Maß und ist deswegen entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts nicht überobligatorisch. Allerdings hat das Oberlandesgericht nicht hinreichend beachtet, dass der Kläger vorgetragen hat, aus nicht von ihm zu vertretenden Gründen monatlich nur noch 35 Stunden zu arbeiten. Änderungen der Einkommensverhältnisse der Parteien sind grundsätzlich  schon in einem Ausgangsverfahren zu  berücksichtigen und  - im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Berufungsgerichts - nicht einem Abänderungsverfahren vorzubehalten (vgl. Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 1 Rn. 24 ff.). Auch eine erst im Verlauf des Berufungsverfahrens eingetretene Reduzierung der Arbeitszeit wäre deswegen noch zu beachten (§§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO) und vom Oberlandesgericht  nach  weiterer Aufklärung  etwa im Wege des prozessualen Auskunftsrechts  gemäß § 643 ZPO (vgl. jetzt §§ 235 f. FamFG)  in die Unterhaltsbemessung einzubeziehen. Soweit das Oberlandesgericht vom Einkommen des Klägers neben den Zahlbeträgen auf den Kindesunterhalt zusätzlich das hälftige Kindergeld abgesetzt hat, entspricht dies  ebenfalls  nicht der nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Rechtsprechung des Senats. Danach kann bei der Bemessung des Ehegattenunterhalts vom  unterhaltsrelevanten Einkommen sowohl im Rahmen der Bedarfsbemessung (Senatsurteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 78/08 - FamRZ 2009, 1300 Rn. 45 ff.) als auch im Rahmen der Leistungsfähigkeit (Senatsurteil vom 24. Juni 2009 - XII ZR 161/08 - FamRZ 2009, 1477 Rn. 21 ff.) nur der Zahlbetrag auf den Kindesunterhalt abgesetzt werden. Auch dies wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben.

c) Keine  rechtlichen  Bedenken bestehen hingegen gegen die Zurechnung eines fiktiven Einkommens auf Seiten der Beklagten. Für die hier noch relevante Zeit ab Dezember 2008 ist das Oberlandesgericht zutreffend von der Neuregelung des Betreuungsunterhalts in § 1570 BGB ausgegangen.  Danach schuldet der Unterhaltspflichtige dem betreuenden Elternteil nachehelich einen Basisunterhalt bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des gemeinsamen Kindes, der nur aus individuellen kind- oder elternbezogenen Gründen verlängert werden kann. Der gemeinsame Sohn war zu diesem Zeitpunkt bereits über neuneinhalb Jahre alt. Entgegen der Rechtsauffassung der Revisionserwiderung stand nach den Feststellungen des Berufungsgerichts für ihn in erreichbarer Nähe  die Möglichkeit einer Ganztagsbetreuung in einer Kindertagessstätte zur Verfügung. Wenn das Oberlandesgericht im Hinblick darauf und unter Berücksichtigung der sportlichen und musikalischen Aktivitäten des gemeinsamen Sohnes eine vollschichtige Erwerbstätigkeit der Beklagten für zumutbar erachtet hat, ist dies aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Denn weitere individuelle Umstände, die einer solchen Erwerbstätigkeit entgegenstehen könnten, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Auch gegen die Bemessung des von der Beklagten erzielbaren Einkommens bestehen keine rechtlichen Bedenken. 

Die Revision greift dies ebenfalls nicht an.

4. Soweit das Berufungsgericht der Beklagten für die hier noch relevante Zeit ab Dezember 2008 den vollen rechnerisch ermittelten Aufstockungsunterhalt zugesprochen und eine weitere Begrenzung nach § 1579 Nr. 2 BGB abgelehnt hat, hält dies den Angriffen der Revision nicht stand.

a)  Zutreffend ist das Oberlandesgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Unterhaltsanspruch der  Beklagten wegen ihrer verfestigten Lebensgemeinschaft in der Zeit von Januar bis November 2008 überwiegend entfallen war. Dies hält auch den Gegenrügen der Beklagten stand. Schon nach  ständiger Rechtsprechung des Senats  zum früheren Recht konnte ein länger dauerndes Verhältnis des Unterhaltsberechtigten zu einem anderen Partner zur Annahme eines Härtegrundes im Rahmen des § 1579 Nr. 7 BGB aF  - mit der Folge der Unzumutbarkeit einer weiteren uneingeschränkten Unterhaltsbelastung für den Unterhaltspflichtigen - führen, wenn sich die Beziehung in einem solchen Maße verfestigt hatte, dass sie als eheähnliches Zusammenleben anzusehen und gleichsam an die Stelle einer Ehe getreten war. Dabei setzte die Annahme einer verfestigten Lebensgemeinschaft nicht zwingend voraus, dass die Partner räumlich zusammenlebten und einen gemeinsamen Haushalt führten, auch wenn eine solche Form des Zusammenlebens in der Regel als ein typisches Anzeichen hierfür angesehen wurde. Unter welchen Umständen  - nach einer gewissen Dauer, die im Allgemeinen zwischen zwei und drei Jahren lag - auf ein eheähnliches Zusammenleben geschlossen werden konnte, ließ sich nicht allgemein verbindlich festlegen. Letztlich oblag es der verantwortlichen Beurteilung des Tatrichters, ob er den Tatbestand  des eheähnlichen Zusammenlebens aus tatsächlichen Gründen für gegeben erachtete oder nicht (Senatsurteile BGHZ 176, 150 = FamRZ 2008, 1414  Rn. 26; BGHZ 157, 395 = FamRZ 2004, 614, 616 und BGHZ 150, 209 = FamRZ 2002, 810, 811).
Mit der zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Neuregelung des § 1579 Nr. 2 BGB ist die verfestigte Lebensgemeinschaft als eigenständiger Härtegrund in das Gesetz übernommen worden. Auch damit wird kein vorwerfbares  Fehlverhalten des Unterhaltsberechtigten sanktioniert. Zweck der Vorschrift ist es vielmehr, rein objektive Gegebenheiten bzw. Veränderungen in den Lebensverhältnissen des bedürftigen Ehegatten zu  erfassen, die eine dauerhafte Unterhaltsleistung unzumutbar erscheinen lassen. Auch die gesetzliche Neuregelung hat nicht festgelegt, ab wann  von einer  verfestigten Lebensgemeinschaft auszugehen ist,  sondern  ausdrücklich auf die hierzu ergangene Rechtsprechung Bezug genommen. Eine verfestigte Lebensgemeinschaft kann danach insbesondere angenommen werden, wenn objektive, nach außen tretende Umstände wie etwa ein über einen längeren Zeitraum hinweg geführter gemeinsamer Haushalt, das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit, größere gemeinsame Investitionen wie der Erwerb eines gemeinsamen Familienheims oder die Dauer der Verbindung den Schluss auf eine verfestigte Lebensgemeinschaft nahelegen. Entscheidend ist darauf abzustellen, dass der unterhaltsberechtigte frühere  Ehegatte eine  verfestigte  neue Lebensgemeinschaft eingegangen ist, sich damit endgültig aus der ehelichen Solidarität herauslöst und zu erkennen gibt, dass er diese nicht mehr benötigt (BT-Drucks. 16/1830 S. 21; vgl. auch Senatsurteil vom 30. März 2011  - XII ZR 3/09 - FamRZ 2011, 791 Rn. 39).  Kriterien wie die Leistungsfähigkeit des neuen Partners spielen hingegen keine Rolle. Die verfestigte Lebensgemeinschaft ist  damit als Anwendungsfall der Unbilligkeit nach § 1579 BGB zu begreifen und nicht als Fall der bloßen Bedarfsdeckung im Sinne von § 1577 Abs. 1 BGB. Die Belange eines gemeinsamen Kindes sind allerdings im Rahmen der Kinderschutzklausel im Einleitungssatz des § 1579 BGB zu beachten. Auf dieser rechtlichen Grundlage ist die Annahme einer verfestigten Lebensgemeinschaft durch das Oberlandesgericht  aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Zu Recht hat es dabei auch auf das Erscheinungsbild der neuen Lebensgemeinschaft der Beklagten in der Öffentlichkeit abgestellt. Dem Umstand, dass die Beklagte keinen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Lebensgefährten unterhielt, hat es dadurch Rechnung getragen, dass es eine verfestigte Lebensgemeinschaft erst ab Januar 2008, also nach 3 ¾ Jahren seit Aufnahme der neuen Partnerschaft, angenommen hat.  Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung liegt darin jedenfalls keine rechtswidrige Belastung der Beklagten.

b) Das Wiedererstarken des Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt für die Zeit ab Dezember 2008 hat das Oberlandesgericht hingegen nicht rechtsfehlerfrei begründet.
aa) Zutreffend ist allerdings der Ansatz des Oberlandesgerichts, wonach ein nach § 1579 BGB beschränkter oder versagter Unterhaltsanspruch bei Wegfall des Härtegrundes grundsätzlich wieder aufleben kann. Insoweit unterscheidet sich die Vorschrift von der früheren Regelung in § 66 EheG, die eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs vorsah. Ändern sich später die Gegebenheiten, die die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des früheren Ehegatten auf Unterhalt begründet haben, bleiben diese Änderungen weder unberücksichtigt noch führen sie ohne Weiteres zur Wiederherstellung der unterhaltsrechtlichen Lage, die vor dem Eintritt der die Unzumutbarkeit begründenden Umstände bestanden hat. Erforderlich ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats vielmehr eine neue umfassende Prüfung, ob die aus einer wiederauflebenden Unterhaltspflicht erwachsenden Belastungen für den Unterhaltspflichtigen weiterhin die Zumutbarkeitsgrenze überschreiten (Senatsurteile vom 6. Mai 1987 - IV b ZR 61/86 - FamRZ 1987, 689, 690 und vom 25. September 1985 - IV b ZR 49/84 - FamRZ 1986, 443, 444). In diese Prüfung sind  grundsätzlich alle Umstände einzubeziehen, die die gebotene Billigkeitsabwägung beeinflussen können. Erhebliche Bedeutung kommt dabei zunächst dem Maß der nachehelichen Solidarität zu. Insbesondere in Fällen, in denen der unterhaltsberechtigte Ehegatte während der Ehezeit  seine Erwerbstätigkeit aufgegeben hatte, um den gemeinsamen Haushalt zu führen oder die gemeinsamen Kinder zu betreuen,  gewinnt auch die Ehedauer  an Bedeutung (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 2010  - XII ZR 202/08 - FamRZ 2010, 1971 Rn. 21 und vom 11. August 2010 - XII ZR 102/09 - FamRZ 2010, 1637 Rn. 48). Auf der anderen Seite ist  auch  zu berücksichtigen, wie lange die Verhältnisse gedauert haben, die eine Unterhaltsgewährung als objektiv unzumutbar erscheinen ließen (OLG Celle FamRZ 2008, 1627 Rn. 42). Entsprechend wird in der Literatur einhellig die Auffassung vertreten, dass ein nach § 1579 Nr. 2 BGB beschränkter oder versagter nachehelicher Unterhaltsanspruch grundsätzlich wiedererstarken kann, wobei es einer umfassenden Zumutbarkeitsprüfung unter Berücksichtigung aller Umstände bedarf (Wendl/Gerhardt Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. Rn. 1384; Scholz/Kleffmann/Motzer Praxishandbuch Familienrecht Stand: März 2011 Teil H Rn. 280; Johannsen/Henrich/Büttner Familienrecht 5. Aufl. § 1579 BGB Rn. 68 ff.; Hoppenz/Hülsmann Familiensachen 9. Aufl. § 1579 BGB Rn. 54 ff.; Borth Praxis des Unterhaltsrechts 2. Aufl. Rn. 414 und 476; Luthin/Koch Handbuch des Unterhaltsrechts 11. Aufl. Rn. 2244; Büttner/Niepmann/Schwamb Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 11. Aufl. Rn. 1190; Ehinger/Griesche/Rasch Handbuch Unterhaltsrecht 6. Aufl. Rn. 535 d; Büte/Poppen/Menne Unterhaltsrecht 2. Aufl. § 1579 Rn. 50 und Weinreich/Klein Fachanwaltskommentar Familienrecht 4. Aufl. § 1579  Rn. 166 f.).

bb) Im Rahmen dieser notwendigen umfassenden Zumutbarkeitsprüfung sind  auch solche  Umstände zu berücksichtigen,  die  erst nach der Scheidung hinzugetreten sind. Zum einen ist deswegen die Kinderschutzklausel zu beachten, die im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 57, 361 = FamRZ 1981, 745, 749 f.) durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom 20. Februar 1986 (BGBl. I S. 301) Eingang in den Einleitungssatz des § 1579 BGB gefunden hat. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass sich der Unterhaltsberechtigte durch die Aufnahme einer verfestigten neuenLebensgemeinschaft aus der nachehelichen Solidarität der Ehegatten herausgelöst und zu erkennen gegeben hatte, dass er diese nicht mehr benötigt (vgl. BT-Drucks. 16/1830 S. 21). Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage nur unwesentlich von der Regelung des § 1586 a Abs. 1 BGB, wonach bei Auflösung einer Zweitehe gegenüber dem geschiedenen  ersten  Ehegatten lediglich der Betreuungsunterhalt wieder auflebt. Denn eine neue Ehe des Unterhaltsberechtigten  führt  stets zur endgültigen Auflösung der nachehelichen Solidarität, so dass es für ein Wiederaufleben anderer Tatbestände an einer Legitimation fehlt, während  ein Wiederaufleben des Betreuungsunterhalts auf das schutzwürdige Interesse der gemeinsamen Kinder zurückzuführen ist (vgl. BT-Drucks. 16/1830 S. 22). Das Oberlandesgericht weist zwar zutreffend darauf hin, dass die Eingehung einer verfestigten Lebensgemeinschaft nicht notwendig eine gleiche endgültige Wirkung beinhaltet wie die Eingehung einer neuen Ehe. Auch der Vorschrift des § 1579 Nr. 2 BGB liegt allerdings die Überlegung zugrunde, dass ein widersprüchliches Verhalten des Unterhaltsberechtigten vorliegt,  wenn  er sich in eine neue verfestigte Lebensgemeinschaft begibt, aber gleichzeitig die nacheheliche Solidarität aus der geschiedenen Ehe einfordert. Nach diesen rechtlichen Maßstäben lebt  auch  ein nach § 1579 Nr. 2 BGB versagter Unterhaltsanspruch regelmäßig nur im Interesse gemeinsamer Kinder  als Betreuungsunterhalt wieder auf. Für andere Unterhaltstatbestände gilt dies nur ausnahmsweise, wenn trotz der für eine gewisse Zeit verfestigten neuen Lebensgemeinschaft noch ein Maß an nachehelicher Solidarität  gefordert werden kann, das eine fortdauernde  nacheheliche Unterhaltspflicht rechtfertigen kann (so im Ergebnis auch Wendl/Gerhardt aaO  Rn. 1384; Scholz/Kleffmann/Motzer/Kühner aaO Rn. 280; Luthin/Koch aaO Rn. 2244).

cc) Diesen Grundsätzen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
Der Entscheidung des Oberlandesgerichts fehlt schon insoweit eine hinreichende Begründung, als es der Beklagten trotz der relativ kurzen Ehedauer und der zwischenzeitig verfestigten Lebensgemeinschaft der Beklagten für die Zeit ab Dezember 2008 den rechnerisch ermittelten ungekürzten Aufstockungsunterhalt zugesprochen hat. Hinzu kommt, dass es nicht alle relevanten Umstände rechtsfehlerfrei gewürdigt hat. Zu Unrecht hat das Oberlandesgericht für die Bemessung der Ehedauer auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung und nicht,  entsprechend  der Rechtsprechung des Senats, auf die Zustellung des Scheidungsantrags abgestellt (vgl. Senatsurteile vom 20. Oktober 2010  - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 36; vom 30. Juni 2010 - XII ZR 9/09 - FamRZ 2010, 1414 Rn. 30 und BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 Rn. 35). Denn ab Zustellung des Scheidungsantrags konnte kein weiteres Vertrauen auf den Fortbestand der Ehe und insoweit auch keine weitere nacheheliche Solidarität mehr entstehen. Der Ehedauer  hat das Oberlandesgericht  überdies lediglich  eine Zeit der verfestigten Lebensgemeinschaft von Januar bis November 2008 gegenübergestellt. Dabei hat es unberücksichtigt gelassen, dass die Lebensgemeinschaft der Beklagten seit dem Frühjahr 2004 bestand und sich bereits im Laufe der ersten Jahre verfestigt hatte. Wenn das Oberlandesgericht die Zeit bis zur endgültigen Verfestigung der Lebensgemeinschaft unberücksichtigt lässt, muss es im Gegenzug aber auch berücksichtigen, dass mit der Verfestigung der Lebensgemeinschaft ab Januar 2008 eine endgültige Aufgabe der nachehelichen Solidarität eingetreten war (vgl. BT-Drucks. 16/1830 S. 21). Im Rahmen der Zumutbarkeitsabwägung hat das Oberlandesgericht auch nicht hinreichend berücksichtigt, dass sich die tatsächlichen Lebensverhältnisse der Parteien nicht wesentlich unterscheiden. Zwar hat das Oberlandesgericht für den  Kläger  ein unterhaltsrelevantes Einkommen  errechnet, das sich nach Abzug des Kindesunterhalts auf monatlich 2.080 € beläuft, während es der Beklagten lediglich Einkünfte in Höhe von 1.113 € zugerechnet hat. Dabei hat es allerdings erhebliche weitere Kreditverbindlichkeiten des Klägers unberücksichtigt gelassen, weil diese zur Finanzierung seines Wohneigentums aufgebracht werden und den Umfang der vom Senat akzeptierten zusätzlichen Altersvorsorge übersteigen. Andererseits hat das Oberlandesgericht das der Beklagten von ihrer Mutter zugewendete Vermögen in Höhe von 120.000 € und insbesondere auch die daraus resultierenden Zinsen unberücksichtigt gelassen, weil die Parteien solche Einkünfte auch bei Abschluss ihres Vergleichs nicht berücksichtigt hatten. Im Rahmen der Billigkeitsabwägung nach § 1579  BGB können diese Umstände allerdings nicht unberücksichtigt bleiben.

5. Die angefochtene Entscheidung kann deswegen keinen Bestand haben. Das Oberlandesgericht wird im Rahmen des § 1579 Nr. 2 BGB eine erneute Unzumutbarkeitsabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles durchzuführen  und dabei insbesondere das Maß der nach Beendigung einer verfestigten Lebensgemeinschaft regelmäßig nur noch sehr  begrenzt zu erwartenden nachehelichen Solidarität zu berücksichtigen haben.

6. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zur zeitlichen Begrenzung des Unterhaltsanspruchs der Beklagten nach § 1578 b BGB nicht frei von Rechtsfehlern sind. Soweit das Oberlandesgericht im Rahmen der Prüfung einer zeitlichen Begrenzung des Unterhalts nach § 1578 b Abs. 2 BGB von einem fortbestehenden ehebedingten Nachteil der Beklagten ausgegangen ist, widerspricht dies der Rechtsprechung des Senats. Die Beklagte ist ausgebildete Bauzeichnerin und hatte in diesem Beruf zunächst vollschichtig und ab der Geburt des gemeinsamen Sohnes im geringfügigen Umfang gearbeitet. Erst seit der Trennung der Parteien im Februar 2004 bis zur Aufnahme ihrer Ausbildung zur Feng-Shui-Beraterin im August 2006, also für zweieinhalb Jahre, war sie nicht erwerbstätig. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wäre es ihr gleichwohl möglich, eine Vollzeittätigkeit als Bauzeichnerin zu finden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts  sprechen die zeitweilige Reduzierung des Umfangs der Erwerbstätigkeit und die zweieinhalbjährige Erwerbslosigkeit nicht zwingend für noch vorhandene  Einkommenseinbußen. Der Wechsel der Erwerbstätigkeit mit Ausbildung zur Feng-Shui-Beraterin ist ohnehin nicht ehebedingt. Soweit die Beklagte sich  trotz  der Obliegenheit zur  Aufnahme einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit im erlernten Beruf auf einen fortdauernden ehebedingten Nachteil beruft, hätte sie dazu im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast  substantiiert  vortragen müssen (Senatsurteile vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 32 ff. und BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rn. 20 ff.). Erst ein solcher  substantiierter  Vortrag versetzt den unterhaltspflichtigen Kläger in die Lage, einen fortdauernden ehebedingten Nachteil zu akzeptieren oder ebenso substantiiert zu bestreiten. Hinzu kommt, dass das Oberlandesgericht trotz der sehr begrenzten nachehelichen Solidarität keine Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts nach § 1578 b Abs. 1 BGB geprüft hat, obwohl die dafür relevanten Umstände von den Parteien vorgetragen sind.  Auch dies wird das Oberlandesgericht nachzuholen haben, falls es im Rahmen des § 1579 Nr. 2 BGB  zu einer Fortdauer des nachehelichen Unterhalts gelangt.

Hahne Dose Klinkhammer
Günter Nedden-Boeger

Vorinstanzen:
AG Ludwigsburg, Entscheidung vom 13.11.2008 - 1 F 335/08 -OLG Stuttgart, Entscheidung vom 16.04.2009 - 11 UF 277/08 -